KI-Energiebedarf: Kosten & Investitionen

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Lisa Ernst · 30.09.2025 · Technik · 5 min

Der AI-Boom treibt nicht nur die Nachfrage nach Chips, sondern auch nach Strom und Infrastruktur in die Höhe. Dies führt zu steigenden Kosten und neuen Herausforderungen für Energieversorger und Rechenzentrumsbetreiber.

AI-Boom: Kosten & Infrastruktur

Die Kosten des AI-Booms umfassen nicht nur Chips, sondern auch Strom und Beton. Großhandelsstrompreise in der Nähe großer Daten-Hub-Cluster sind in einigen Regionen um bis zu 267 Prozent im Fünfjahresvergleich gestiegen. Gleichzeitig prognostiziert Citigroup AI-bezogene Investitionen von 2,8 Billionen US-Dollar bis 2029.

AI-Capex umfasst langfristige Investitionen von Hyperscalern und Betreibern in Rechenzentren, Stromanschlüsse, Netz-Upgrades, Kühlung, Grundstücke und Hardware wie GPUs/TPUs. Hyperscaler sind Cloud-Riesen wie Microsoft, Amazon und Alphabet, die riesige Rechenzentren betreiben. Auf der Stromseite geht es um Last (Leistung in Gigawatt) und Energie (Terawattstunden pro Jahr).

Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet, dass der Stromverbrauch von Rechenzentren bis 2030 auf rund 945 TWh steigt, was etwa dem heutigen Stromverbrauch Japans entspricht. AI ist hierbei der stärkste Treiber. BloombergNEF schätzt, dass die Rechenzentrums-Leistungsaufnahme in den USA bis 2035 von circa 35 GW in 2024 auf 78 GW mehr als doppelt so hoch sein wird.

Aktueller Stand & Auswirkungen

Bloomberg berichtet, dass Großhandelsstrom in US-Regionen mit konzentrierten Daten-Hub-Projekten heute bis zu 267 Prozent teurer ist als vor fünf Jahren. Die IEA hat ihre Stromprognosen für 2025/26 angehoben, unter anderem wegen zusätzlicher Datenzentrums-Last in den USA und Europa. Für den Gesamtmarkt erwartet die IEA, dass die US-Stromnachfrage 2025 um 2,3 Prozent und 2026 um 2,2 Prozent wächst, was deutlich über dem Trend der letzten Dekade liegt.

Auf der Investitionsseite erhöht Citi seine Schätzung für AI-bezogene Ausgaben der Big Tech bis 2029 auf 2,8 Billionen US-Dollar; bereits bis 2026 sollen AI-Capex rund 490 Milliarden US-Dollar erreichen. Einzelunternehmen geben das Tempo vor: Microsoft stellte für ein Quartal Rekord-Capex von 30 Milliarden US-Dollar in Aussicht. Versorger reagieren mit Mehrjahres-Programmen, zum Beispiel CenterPoint mit 65 Milliarden US-Dollar bis 2035, ausdrücklich wegen Datenzentren-Lastspitzen. Parallel steigen Endkundenpreise: Bloomberg nennt für die USA zuletzt einen Anstieg der Stromkosten um 4,5 Prozent J/J, deutlich über der Gesamtinflation.

Der globale Strombedarf von Rechenzentren, KI und Kryptowährungen wird bis 2026 voraussichtlich stark ansteigen.

Quelle: forbes.com

Der globale Strombedarf von Rechenzentren, KI und Kryptowährungen wird bis 2026 voraussichtlich stark ansteigen.

Der Sprint wird durch mehrere Motive angetrieben. Erstens schafft Kapazität Marktanteile: Wer zuerst genügend GPU-Kapazität, Flächen und Netzanschlüsse sichert, skaliert AI-Dienste schneller, vom Cloud-Training bis zu generativen Assistenten. Zweitens ist die Standortpolitik entscheidend: Regionen mit günstiger, verlässlicher Energie, schneller Genehmigung und kühlem Klima locken mehr Rechenzentren an; Netzengpässe und hohe Peak-Preise schrecken ab. Drittens müssen Betreiber aufgrund von Regulierung und ESG-Anforderungen Emissionen senken, Wasserverbrauch begrenzen und lokale Netze entlasten, um Verzögerungen, Auflagen oder Abgaben zu vermeiden.

Die Medienlogik verstärkt das Thema: Einzelne Mega-Projekte, Preisspitzen und Zahlen in Billionenhöhe erzeugen hohe Aufmerksamkeit, während Netz- und Genehmigungsdetails oft erst im Nachgang sichtbar werden.

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Belegt ist, dass Großhandelsstrompreise in einigen Daten-Hub-Regionen stark gestiegen sind; Bloomberg nennt bis zu 267 Prozent in fünf Jahren. Belegt ist auch die deutliche Anhebung der AI-Capex-Prognosen auf 2,8 Billionen US-Dollar bis 2029. Die IEA rechnet mit einer Verdopplung des Rechenzentrums-Stromverbrauchs bis 2030 auf rund 945 TWh.

Die Investitionsausgaben (Capex) der Hyperscaler für KI zeigen einen signifikanten Anstieg bis 2025.

Quelle: amritaroy.substack.com

Die Investitionsausgaben (Capex) der Hyperscaler für KI zeigen einen signifikanten Anstieg bis 2025.

Unklar ist, wie viel der Mehrnachfrage tatsächlich durch zusätzliche Erzeugung aus Erneuerbaren gedeckt wird und wie stark Demand-Side-Management (Lastverschiebung) die Spitzen glätten kann; Schätzungen variieren je nach Region und Netzausbau. Die Behauptung, AI sei allein verantwortlich für allgemeine Strompreissteigerungen, ist irreführend, da andere Treiber wie Brennstoffpreise, Netzengpässe, Wetter-Extrema und generelle Elektrifizierung in Industrie und Gebäuden ebenfalls eine Rolle spielen.

Investoren tolerieren die hohe Kapitalintensität bislang, solange Umsatz und Cloud-Marge mitwachsen; Analysten verweisen auf höhere Auslastung und Preissetzungsmacht im AI-Stack. Kritiker warnen vor zirkulärer Finanzierung und vor Netzrisiken, wenn Anschlusskapazitäten schneller wachsen als die lokale Erzeugung. Einige Versorger treiben deshalb große Netzinvestitionen voran und binden Rechenzentren an Flex- und Speicherauflagen.

Für Betreiber bedeutet dies, die Standortwahl ganzheitlich zu denken: verfügbare Leistung (MW), Genehmigungsdauer, Strompreisstruktur (Peak/Off-Peak), Netzausbaupläne, Wasser und PPA-Verfügbarkeit. Für Energieversorger und Kommunen sind frühzeitige Cluster-Planung, Netzausbau und Speicher entscheidend, um Preisspitzen und Akzeptanzprobleme zu vermeiden. Unternehmen ohne eigene Rechenzentren müssen beachten, dass Cloud-Preise und Latenz zukünftig stärker von der regionalen Energie- und Netzlage abhängen; Multi-Region-Architekturen können hier einen Hedge bieten. Für Haushalte sind regionale Preisaufschläge möglich, aber nicht monokausal; lokale Netzberichte und Regulierer-Papiere sollten zur Einordnung herangezogen werden.

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Zukunft & Herausforderungen

Es bleiben offene Fragen: Wie schnell lassen sich Netz- und Erzeugungskapazitäten wirklich ausbauen, inklusive Genehmigungen, Leitungsbau und Transformatoren? Welche Rolle übernehmen flexible Lasten, Speicher und Abwärmenutzung für die Systemstabilität? Konkrete, vergleichbare PUE- und WUE-Daten auf Standortebene wären nötig, um Belastungen und Effizienzgewinne transparent zu bewerten. Wie belastbar sind die 2,8-Billionen-US-Dollar-Capex-Bahnen, falls Finanzierungskosten steigen oder Regulierer strengere Standortauflagen einführen? Und in welchem Umfang verlagern Hyperscaler Workloads in Regionen mit kühlerem Klima und hoher erneuerbarer Erzeugung, um Kosten und CO2 zu senken?

Trotz Effizienzgewinnen wird der Strombedarf von Rechenzentren voraussichtlich weiter steigen.

Quelle: thenewstack.io

Trotz Effizienzgewinnen wird der Strombedarf von Rechenzentren voraussichtlich weiter steigen.

Der AI-Boom ist nicht nur ein Chip-, sondern ein Energie- und Infrastrukturthema. Belegt sind steigende regionale Strompreise an Daten-Hubs, drastisch wachsende Lasten und eine Capex-Welle in Billionenhöhe. Für Unternehmen bedeutet dies: Entscheidungen zur AI-Skalierung sollten die lokale Energiewirklichkeit so ernst nehmen wie das Modell-Benchmarking – mit klaren Netzzusagen, PPAs, Effizienzplänen und einem realistischen Zeitpfad. Wer Energie, Standort und Finanzierung zusammen denkt, sichert Tempo und behält die Kosten im Griff.

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