Bundesrichter und KI
Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in die US-Bundesgerichtsbarkeit ist ein komplexes Feld, das Chancen und Herausforderungen birgt. Seit 2025 gibt es eine interne Übergangsempfehlung, die den Einsatz von KI erlaubt, aber klare Vorsicht und Eigenverantwortung fordert. Gleichzeitig führten Fehler durch KI-Nutzung in Kanzleien von Bundesrichtern zu einer breiten Debatte über Regeln, Haftung und Transparenz. Ein Entwurf für eine neue Beweisregel 707, die „maschinen-generierte Beweise“ strenger prüft, ist in der öffentlichen Kommentierung.
Einführung
„Federal judges ai“ beschreibt das Spannungsfeld zwischen US-Bundesgerichten und Künstlicher Intelligenz. Dies umfasst die Nutzung von KI in der internen Arbeit (Recherche, Entwürfe), in Schriftsätzen der Parteien sowie als möglicher Beweisgegenstand vor Gericht. Generative KI kann Ideen liefern, neigt aber auch zu Halluzinationen von Quellen und Zitaten. Ein prominentes Beispiel hierfür war der Fall Mata v. Avianca im Jahr 2023, bei dem erfundene Präzedenzfälle zu Sanktionen führten. Der oberste US-Richter John Roberts betonte Ende 2023 die Chancen der KI für den Zugang zur Justiz, aber auch die Notwendigkeit menschlicher Beurteilung und Demut beim KI-Einsatz. Die American Bar Association veröffentlichte 2024 erste Ethik-Leitlinien, die den Einsatz von KI unter Einhaltung von Kompetenz, Vertraulichkeit, Kommunikation und angemessenen Gebühren erlauben.
Regulierungslandschaft
Im Mai/Juni 2023 reagierten Bundesgerichte auf die Avianca-Affäre. Richter Brantley Starr (N.D. Texas) verlangte als Erster eine „Mandatory Certification“ zur Verwendung von Gen-KI in Schriftsätzen, die eine menschliche Prüfung und Bestätigung jeder KI-generierten Passage vorschreibt. Ähnliche Offenlegungspflichten folgten in Pennsylvania und Illinois. Im Jahr 2024/25 erließen weitere Gerichte vergleichbare Anordnungen; Übersichten dazu bieten Stanford Law und Tracker großer Kanzleien.
Am 31. Juli 2025 verschickte die Verwaltungsstelle der Bundesgerichte (AO) interimistische Leitplanken an alle Bundesgerichte. Diese erlauben die Nutzung und Erprobung von KI, verbieten jedoch die Delegation von Kernentscheidungen an KI. KI-Ausgaben müssen unabhängig verifiziert werden, und Nutzer bleiben voll verantwortlich. Die AO empfiehlt, dass Gerichte lokale Aufgaben definieren, für die zugelassene Tools verwendet werden dürfen. FedScoop berichtete über diese Leitplanken.
Parallel dazu treibt das Beweisrecht die Einordnung von KI-Ausgaben voran. Der Entwurf für eine neue Rules-of-Evidence-Norm 707 wurde am 10. Juni 2025 zur Veröffentlichung empfohlen; die Kommentierungsphase läuft seit dem 15. August 2025 bis zum 16. Februar 2026. Ziel ist, maschinell generierte Beweise, wenn kein menschlicher Experte aussagt, demselben Zuverlässigkeitsmaßstab wie Expertenaussagen nach Rule 702 zu unterwerfen. Ein Justizpanel hatte diese Richtung bereits am 2. Mai 2025 öffentlich bekräftigt.
Im Oktober 2025 bestätigten zwei Bundesrichter, Julien Neals (D.N.J.) und Henry Wingate (S.D. Miss.), dass Mitarbeitende ChatGPT bzw. Perplexity zur Entwurfsarbeit nutzten. Dies führte zu fehlerhaften Orders, die zurückgezogen wurden, und einer Nachschärfung interner Regeln. Reuters und AP News berichteten darüber.

Quelle: the-decoder.com
Die Justitia im digitalen Zeitalter: Eine symbolische Darstellung der Integration von KI in die Rechtssprechung.
Herausforderungen und Chancen
Die Mischung aus Offenheit und Vorsicht im Umgang mit KI hat mehrere Gründe. Erstens: Qualitätssicherung. Generative KI kann Prozesse beschleunigen, aber halluzinierte Zitate gefährden die Verfahrensfairness und erzeugen Sanktionsrisiken. Die Avianca-Sanktionen belegen, dass Gerichte Rule-11-Verstöße ahnden. Zweitens: Vertraulichkeit und IT-Sicherheit. Die AO verweist auf den Schutz sensibler Daten und mahnt zu klaren Beschaffungs- und Sicherheitsprozessen für KI-Tools. Drittens: Föderale Vielfalt als Testlabor. Die Justizverwaltung ermutigt lokale Erprobung, um verantwortliche Einsatzfelder auszuloten. Dieser pragmatische Ansatz bündelt Pilotprojekte und Wissens-Sharing. Viertens: Beweisrechtliche Klarheit. Die vorgeschlagene Rule 707 soll verhindern, dass überzeugend wirkende, aber methodisch fragwürdige KI-Outputs das Verfahren verzerren.
Quelle: YouTube
Die existierenden internen Übergangsleitlinien der Bundesgerichtsbarkeit vom 31. Juli 2025 belegen, dass die Nutzung erlaubt ist, aber die Delegation von Kernfunktionen an KI untersagt und unabhängige Verifikation verlangt wird. Mehrere Bundesrichter verlangen Offenlegung oder Zertifizierung beim Einsatz generativer KI in Schriftsätzen, beginnend mit Brantley Starr am 30. Mai 2023. Der Entwurf zu FRE 707 (maschinen-generierte Beweise) ist seit dem 15. August 2025 zur öffentlichen Kommentierung veröffentlicht. Eine generelle Offenlegungspflicht vor allen Bundesgerichten ist unklar, da solche Pflichten bislang richter- bzw. gerichtsbezogen sind. Die AO-Leitlinien wurden gegenüber dem Senat beschrieben, der Volltext aber nicht allgemein bereitgestellt. Die Behauptung, „Bundesrichter lassen KI Urteile fällen“, ist falsch, da die AO ausdrücklich davon abrät, Kernfunktionen an KI zu delegieren. Auch die Annahme, „Avianca war nur ein Medienhype, ohne Folgen“, ist falsch, da das Gericht tatsächliche Sanktionen verhängte.

Quelle: law.com
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Praktische Implikationen
Für alle, die in US-Bundesverfahren arbeiten, ist es entscheidend, vor jeder Einreichung die lokal geltenden Standing Orders zu KI zu prüfen, da Offenlegung, Zertifizierung und Prüfpflichten variieren. Jeder KI-Output muss anhand verlässlicher Quellen verifiziert werden, da Rule-11-Sanktionen real sind. Es ist wichtig, datenschutzkonforme Tools zu nutzen, da die AO Beschaffung, Sicherheit und Verantwortlichkeit betont. Beweisstrategisch ist die Entwicklung von FRE 707 zu beobachten, da die Hürde für maschinelle Ausgaben steigen wird.
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Offene Fragen betreffen die endgültige Form und Zugänglichkeit der finalen Bundesleitlinien, da das AO von Interimsguidance spricht und der Volltext bislang nicht veröffentlicht wurde. Auch die finale Fassung von FRE 707 nach der Kommentierung und deren Interaktion mit Rule 702 im Alltag sind noch unklar. Zudem ist die systematische Erfassung künftiger KI-Fehlleistungen durch Gerichte eine offene Frage, da das AO derzeit keine nationale Statistik außerhalb bestimmter Insolvenz-Kontexte berichtet.

Quelle: freepik.com
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Fazit und Ausblick
Die Entwicklung zeigt eine klare Linie: Erlaubte Nutzung von KI mit klarer menschlicher Verantwortung, zunehmender Transparenz in Schriftsätzen und wachsender Beweissicherheit durch FRE 707. Für Praktiker bedeutet dies, lokale Vorgaben zu kennen, KI klug und sparsam einzusetzen, jeden Output unabhängig zu belegen und Entwicklungen im Beweis- und Standesrecht aktiv zu verfolgen. Die Stanford-Übersicht, die Kommentierungsphase zu FRE 707 und die ABA-Ethik-Leitlinien sind hierbei wichtige Anlaufstellen.